Gegenort - The virtual mine
"The Virtual Mine"
„Gegenort -The Virtual Mine“ ist ein global vernetztes Multimedia- und Ausstellungsprojekt, daß von fünf saarländischen MedienkünstlerInnen (Monika Bohr, Claudia Brieske, Leslie Huppert, Fevzi Konuk, Gertrud Riethmüller) für die ehemalige Schachtanlage Gegenort in Neunkirchen-Wiebelskirchen konzipiert wurde und von der Neunkircher Kulturgesellschaft im Sommer 2001 veranstaltet wird.
Die Ausstellung hatte das gesamte Industriegelände genutzt. Auf der Freifläche vor dem Schachtgebäude wurden zehn Baucontainer aufgestellt und mit künstlerischen Installationen aus der ganzen Welt bespielt. Die Container waren mit dem Schachtgebäude, das die Funktion einer Zentrale übernahm, durch freiverlegte Kabel vernetzt. Auf dem Gelände waren mit dem Internet verbundene Kameras installiert, die das Geschehen in Gegenort ständig ins weltweite Netz einspeisten. Die gesamte Anlage erhielt so den Charakter einer modernen Fabrik, die sich an einem alten Industriestandort für kurze Zeit niedergelassen hat, um dort ihre Produktion aufzunehmen.
Was steckt hinter diesem Ausstellungsbild? Die Künstlergruppe ging in ihrer Konzeption vom Gedanken der Grube Gegenort als Ort der Energieförderung aus. Früher diente die Schachtanlage der Kohleförderung, dem bedeutensten Rohstoff des Industriezeitalters. Im Zeitalter der Kommunikation sind die wichtigsten Resourcen Information, Wissen und Ideen. Sie liefern heute die Energie, die den Motor der Wirtschaft in Gang halten. Ihre „Lagerstätten“ sind nicht mehr an bestimmte Orte gebunden, sondern über die gesamte Welt verteilt, denn Wissen und Ideen liegen im Menschen selbst.
Die Künstler wollen die ursprüngliche Funktion des Ortes als Ort der Energieförderung fortsetzen und machen sich von hier aus weltweit auf die Suche nach künstlerischen Ideen, Konzeptionen und Vorschlägen, kurz: nach der künstlerischen Energie des Planeten. Ihr Werkzeug ist das Internet, mit dessen Hilfe sie weltweit KünstlerInnen auffordern, eigene Konzepte nach Gegenort zu schicken.
Die Künstlergruppe nahm die ursprüngliche Funktion der Grube sehr wörtlich und ließ sich zudem noch vom sprechenden Namen des Schachtes „Gegenort“ inspirieren: sie entwickelten daraus die Idee, auf der Suche nach dem Rohstoff von heute einfach den Schacht durch eine virtuelle Bohrung bis zum Erdmittelpunkt zu verlängern. Dort ist die Schnittstelle von fünf gedachten Tunnels, die zehn sich gegenüberliegende Orte auf der ganzen Welt miteinander verbinden. Diese zehn „Gegenorte“ bilden eine virtuelle Mine, die den gesamten Planeten als Lagerstätte für künstlerische Energie nutzt und über deren Schächte diese Kraft zur ehemaligen Industrieanlage bei Neunkirchen leitet.
Jeder der zehn Gegenorte ist Zentrum einer Zone, die - ähnlich den Kohleflözen - systematisch „abgebaut“ wird. Über das Medium Internet suchen die Künstler gezielt die Zonen nach Ideen ab, sprechen andere Künstler oder künstlerisch interessierte Menschen auf dem gesamten Planeten an und fordern sie auf, ihre Konzepte zur Zentrale nach Gegenort zu schicken.
Im Ausstellungsaufbau wurde diese virtuelle Mine greifbar gemacht: das Hauptgebäude war die Sammelstelle für die eingehenden Ideen, hier trat die künstlerische Energie aus, hier wurde sie aus der unsichtbaren virtuellen Welt in unsere Realität geholt. Ganz ähnlich der Kohle, die zu unseren Füßen unsichtbar in der Erde ruhte, bis sie durch den Abbau ans Tageslicht und damit auch in unsere Welt gelangte, für uns verfügbar wurde. Dies wurde durch Videoprojektionen, aus dem Boden tretende Kabel, usw. verdeutlicht. Die Kabel liefen aus dem Gebäude heraus und mündeten in den aufgestellten Containern. Jedem Container war eine Zone zugeordnet, in jedem Container wurde eine Konzeption dieser Zone realisiert und für die Dauer der Ausstellung „aufgearbeitet“. Alle anderen Ideen wurden auf dem Gelände in der Form, in der sie als Konzeptbeschreibung eingegangen waren, ausgestellt und bis zur weiteren Verwendung „auf Halde gelegt“.
Der Besucher der Ausstellung konnte also eine Reise durch die künstlerischen Entwicklungen der Welt machen. Die unsichtbare Welt des Internets wurde in Gegenort sichtbar und der Übergang vom Industriezeitalter zur Informationsgesellschaft durch die Installationen anfassbar gemacht.
Das Projekt der Gruppe kann dazu beitragen, das durch die Rezession der 80er und 90er Jahre entstandene soziale und wirtschaftliche Vakuum aufzufüllen. Es setzte ein positives Zeichen: die Zeit des Stillstandes ist vorbei, die Vernetzung mit der Welt hat begonnen. Dem Besucher wurde ganz anschaulich vor Augen geführt, daß aus der lokalen Tradition heraus neues entstehen kann, ohne dass man auf die Erfahrungen der Vergangenheit verzichten muß. Dadurch unterscheidet sich das Projekt „The Virtual Mine“ auch von anderen Veranstaltungen an ehemaligen Industriestandorten, die stillgelegte Fabrikanlagen entweder als spektakulärer Rahmen für Events nutzen, die mit der ehemaligen Funktion des Geländes nichts zu tun haben oder nostalgisch verklärt die Vergangenheit der Anlage widerspiegeln ohne einen Bezug zur Gegenwart oder Zukunft herzustellen.
The Virtual Mine könnte einen interessanten Neuansatz für die Nutzung alter Industriebrachen darstellen und das Ausstellungskonzept lässt sich auf eine einfache Formel bringen: in Gegenort wurde Energie gefördert, in Gegenort wird wieder Energie gefördert. So gelingt ein Brückenschlag von der Ära der Industrie zur modernen Kommunikationsgesellschaft.
“Gegenort - The Virtual Mine”, (Gegenort - Die virtuelle Mine)
Fünf KünstlerInnen wagen ein Experiment: auf dem stillgelegten Gelände der Grube Gegenort bei Neunkirchen (Saar) dringen sie in den stillgelegten Schacht ein und setzen die aufgegebene Bohrung fort.
Ihr Ziel ist die Förderung des Rohstoffs des 21. Jahrhunderts: Daten und elektrische Impulse - Übermittler von Information. Sie durchdringen senkrecht den Globus, um auf der entgegengesetzten Erdseite neue Ressourcen aufzuspüren.
Nach diesem Prinzip werden fünf Bohrungen zehn gegenüberliegende Orte des Planeten miteinander verbinden. Der Schacht Gegenort führt zur zentralen Schnittstelle
der Bohrungen, dem Erdmittelpunkt und fördert auf dem Gelände der ehemaligen Grube Informationen zutage.
War der wichtigste Rohstoff am Anfang des 20. Jahrhunderts die Kohle, ein fossiler Brennstoff, der durch den Menschen und Maschinen in Energie umgewandelt werden
musste, so ist der Rohstoff des beginnenden 21. Jahrhunderts der Mensch selbst, seine Imagination, sein Wissen, Träger und Wandler von Informationen. Deshalb suchen die an dem künstlerischen Forschungsprojekt beteiligten MedienkünstlerInnen an den Austrittsstellen der Bohrungen vorort Schöpfer künstlerischer Konzeptionen, deren
Ideen, also deren Energie, in Gegenort gefördert werden sollen. Zehn ausgewählte Konzepte werden auf dem Gelände der Grube von den InitiatorInnen des Experiments umgesetzt und in zehn Containern präsentiert.
Die künstlerische Idee wird also in Form von Installationen oder Erlebnisräumen für den Besucher tatsächlich real erfahrbar, er geht darin auf. Virtualität wird zur Realität. In einem weiteren Schritt werden die einzelnen Werke mittels Webcams aufgezeichnet und ins Netz eingespeist.
Der in Gegenort geförderte Rohstoff des Kommunikationszeitalters wird somit weltweit verfügbar und liefert Informationen, also Energie für neue Ideen, für die Imagination.
Realität wird zur Virtualität. Der Kreis ist geschlossen.
Die Metamorphose von Kunst, Gesellschaft und Industrie wird in Gegenort nicht nur durch die künstlerischen Konzeptionen des Projektes der Künstlergruppe ihren Ausdruck finden, sondern auch in dessen Präsentation. Im Gegensatz zur Schwerindustrie des 20. Jahrhunderts, die sich durch aufwendige Maschinen und
gewaltige Anlagen dauerhafte Denkmäler setzte, steht das neue Jahrhundert im Zeichen der Wandelbarkeit, der Flüchtigkeit und des Unsichtbaren.
Die Ausstellung wird in Containern aufgebaut werden - Sinnbilder und tatsächlich auch Bausteine dieser flüchtigen, fragmentierten Epoche. Lose verlegte Kabel, auf vorhandene Strukturen montierte Kameras, Lichtprojektionen - für die Dauer des Experiments entfaltet das Kommunikationszeitalter seine Hardware und errichtet eine „Fabrik auf Zeit“. Am Projektende verschwinden alle festen Teile und es bleibt die Energie des Projektes im World Wide Web - unsichtbar, virtuell.